- Zusätzlich kann der Einsatz von KI bei der Embryonenauswahl die Schwangerschaftsraten um 5 % und die kumulativen Raten sogar um bis zu 7 % steigern
- Was die Gametenselektion betrifft, ermöglicht die Künstliche Intelligenz (KI) potenziell die Identifikation des Spermiums mit der höchsten Befruchtungskapazität und dem größten Entwicklungspotenzial für einen Embryo. Darüber hinaus kann sie die qualitativ hochwertigsten Eizellen erkennen – ein Aspekt von besonderem Nutzen für Programme zur Fruchtbarkeitserhaltung
- Die auf dem Kongress präsentierten Fortschritte im Bereich der KI werden sich in erheblichen Vorteilen für die Personalisierung von Behandlungen, die Reduktion von Behandlungsdauer und Stress für die Patientinnen sowie in einer verbesserten klinischen Entscheidungsfindung niederschlagen – und somit zu einer optimierten Erfolgsrate reproduktionsmedizinischer Verfahren führen
BARCELONA, 25. APRIL 2025
Die Künstliche Intelligenz (KI) revolutioniert zunehmend das Feld der Reproduktionsmedizin, insbesondere im Hinblick auf die Selektion von Gameten (Eizellen und Spermien) und Embryonen. In diesem Zusammenhang zeigt die von Forschenden des IVI Valencia geleitete und auf dem 11. Internationalen IVIRMA Kongress in Barcelona vorgestellte Studie „Predicting time to live Birth with Deep Learning embryo Ranking: a novel multiple imputation approach“, wie durch den Einsatz von KI die zur Erzielung einer Lebendgeburt erforderliche Zeit um etwa 7 % reduziert werden kann.
Dr. Marcos Meseguer, Global Director of Embryology bei IVI RMA und Studienkoordinator, erklärt: “Unsere Studie, basierend auf einer umfangreichen Auswahl von 70.000 Embryonen, ermöglicht bessere Ergebnisse in kürzerer Zeit und mit höherer Sicherheit. Das verkürzt die Behandlungsdauer erheblich und reduziert die emotionale Belastung vieler Patientinnen und Patienten”.
Im Rahmen des Kongresses wurden zudem mehrere Beiträge vorgestellt, die aufzeigen, wie diese technologischen Werkzeuge die Entscheidungsfindung bei Behandlungen der assistierten Reproduktion (ART) durch objektive, datengestützte Unterstützung verbessern könnten: Embryonenselektion, Gametenselektion und ovarielle Stimulation sind nur einige der Bereiche, in denen KI ein erhebliches Potenzial entfalten kann.
Die präsentierten Daten belegen, dass der Einsatz von KI bei der Embryonenselektion die Schwangerschaftsrate um 5 % erhöhen konnte; bei Betrachtung der kumulativen Rate (über mehrere Zyklen) liegt der Anstieg sogar bei 7 %. Dies geht aus der Studie “Undisturbed culture: a clinical examination of this culture strategy on embryo in vitro development and clinical outcomes” hervor, die in der Fachzeitschrift Fertility and Sterility veröffentlicht wurde. “ Unsere Forschung hat gezeigt, dass in 80 % der Fälle, in denen Embryologen Embryonen auswählten, die KI eine Alternative mit besserer Prognose vorschlug. Diese Daten unterstreichen, dass der Einfluss von KI in der assistierten Reproduktion erst am Anfang steht”, betont Dr. Meseguer.
Neben diesen vielversprechenden Ergebnissen führt IVI auch weitere richtungsweisende Forschungsprojekte zur Anwendung von KI in der Gametenselektion. Auf dem IVI-Kongress wird unter anderem die Arbeit “AI Powered Oocyte Assessment”, präsentiert, in der über 3.000 Eizellen und 300 Samenproben mittels künstlicher Intelligenz analysiert werden, um Embryolog*innen im Labor gezielt zu unterstützen.
“Wird KI zur Qualitätsvorhersage von Gameten eingesetzt, unterstützt sie maßgeblich Strategien zur Fertilitätserhaltung und Eizellspendeprogramme. Sie hilft den Fachkräften auf zwei wesentliche Arten: Erstens durch die Analyse der Spermienbeweglichkeit und -morphologie in Echtzeit zur Identifikation der befruchtungsfähigsten Spermien; zweitens durch die Beurteilung der Eizellqualität, um die qualitativ hochwertigsten Eizellen auszuwählen”, erklärt Professorin Laura Rienzi, Wissenschaftliche Direktorin bei IVI RMA Italien.
Vielversprechende Anwendungen in der ovariellen Stimulation
Im Zuge dieser durch die KI ausgelösten Umwälzungen in der Reproduktionsmedizin gilt insbesondere der Bereich der ovariellen Stimulation als besonders vielversprechend. Denn die Qualität und Anzahl der Eizellen ist die entscheidende Variable, die maßgeblich zum reproduktiven Erfolg bei assistierten Reproduktionstechniken beiträgt.
Bislang fehlte jedoch ein standardisiertes Verfahren zur Beurteilung der Eizellen – dem einzigen Schlüsselfaktor der ART, für den es bislang keine objektive Bewertungsmethode gab. Daher wird intensiv an der Entwicklung KI-gestützter Werkzeuge zur Evaluierung gearbeitet.
Ein Beispiel hierfür ist die ebenfalls auf dem IVIRMA-Kongress vorgestellte und in Reproductive Biomedicine Online veröffentlichte Studie “Machine learning tool for predicting mature oocyte yield and trigger day from start of stimulation: towards personalized treatment”. Sie ermöglicht es, der Patientin Informationen über die voraussichtliche Anzahl an zu gewinnenden Eizellen, die Dauer der Stimulationsphase sowie den wahrscheinlichen Zeitpunkt der Eizellentnahme bereitzustellen.
Zu den Vorteilen zählt eine noch individuellere Gestaltung der Behandlung: Das KI-Tool nutzt Deep-Learning-Algorithmen zur Analyse von Daten früherer Stimulationszyklen und prognostiziert auf dieser Basis patientenspezifische Ergebnisse. Ärzt*innen können dadurch die Stimulationsprotokolle gezielt auf die individuellen Merkmale der Patientin abstimmen, was die Erfolgsaussichten deutlich verbessert.
Zudem lassen sich durch die präzise Vorhersage des Auslösungszeitpunkts und der Eizellanzahl unnötige Besuche in der Klinik vermeiden – was nicht nur Zeit und Aufwand spart, sondern auch die psychische Belastung der Patientinnen deutlich reduzier.
„Ein weiterer bedeutender Beitrag ist die verbesserte klinische Entscheidungsfindung dank präziser Vorabinformationen zum Stimulationszyklus. Dadurch sind fundiertere und zeitgerechtere Entscheidungen möglich, mit höherer Genauigkeit und geringerer systembedingter Abweichung als bei traditionellen Methoden, die stark von der behandelnden Fachkraft oder Klinik abhängen. KI liefert konsistente, datengestützte Vorhersagen und verbessert die Behandlungsergebnisse signifikant“, resümiert Professorin Rienzi.