- Das Weizmann Institute of Science hat auf dem “10th International IVIRMA Congress” seine Technik zur Erzeugung von synthetischen Modellen von Mäuse-Embryonen vorgestellt, die aus Stammzellen nur in einer Petri-Schale erzeugt wurden, d.h. ohne befruchtete Eizellen als Ausgangsbasis und ohne dass es einer Gebärmutter bedurfte.
- Die Forscher haben es geschafft, Mäuse-Embryonen mithilfe von Fortpflanzungszellen, die ein schlagendes Herz, ein Gehirn mit wohl geformten Gehirnwindungen oder einen entstehenden Blutkreislauf (neben anderen wesentlichen Organen) haben, in nur 8 Entwicklungstagen zu erzeugen, die eine 95%ige Ähnlichkeit mit den natürlichen Embryonen dieser Tiere erreichten.
- Die synthetischen Embryo-Modelle könnten sich in der Zukunft zu einer zuverlässigen Quelle für Zellen, Gewebe und Organen für Transplantationszwecke entwickeln, ganz abgesehen davon, dass dadurch die Zahl der Versuchstiere reduziert werden könnte.
MALAGA, DEN 24. APRIL 2023
Die neuesten Erkenntnisse auf dem Gebiet der assistierten Reproduktion könnten der Schlüssel zur Erschaffung von Geweben und Organen sein, die in der Zukunft für menschliche Transplantationen genutzt werden. So wurden sie auf dem 10th International IVIRMA Congress vorgestellt, der gerade erst in Malaga stattfand.
Konkret gesagt, hat das von Herrn Dr. Jacob Hanna vom Department of molecular Genetics des Weizmann Institute of Science geleitete Forscherteam synthetische Zellen von Mäusen ohne Entwicklungseinschränkungen geschaffen und entdeckte ein Potential zur embryonalen und extraembryonalen Entwicklung auf Plattformen, die eine elektronisch kontrollierte Gebärmutter simulierten, wodurch vollständige, mit Organen ausgestattete Embryonen erzeugt wurden.
Das Ergebnis war ein Modell eines synthetischen Mäuse-Embryos mit Fortpflanzungszellen oder spezifisch mit einem schlagenden Herzen, einem Gehirn mit wohl geformten Gehirnwindungen, einem Dottersack, einem Neuralrohr, einem Darmtrakt, einer Plazenta und einem entstehenden Blutkreislauf, und zwar innerhalb eines Entwicklungszeitraums von nur 8 Tagen, also fast der Hälfte der 20-tägigen Schwangerschaft, die eine Maus dafür braucht.
Den Erläuterungen von Herrn Dr. Hanna, beigeordneter Professor am Weizmann Institute of Science zufolge, ist „der Embryo der perfekte Ausgangspunkt zur Erzeugung von Organen und der beste „Biodrucker in 3D“, und das ist der Schlüssel, um Mechanismen zu erschaffen, die es uns ermöglichen, dass sich die Stammzellen von den spezifischen Zellen des Körpers unterscheiden oder direkt ganze Organe bilden. Bisher war dies äußerst kompliziert und um es zu erreichen, war es von grundlegender Bedeutung, das Potential des Selbstorganisationsgebers (Autoorganización Codificador) der Stammzellen freizusetzen“.
Wie haben sie das erreicht? Als Ausgangspunkt haben sie sich auf frühere Fortschritte in ihrem eigenen Labor gestützt, wie die Umprogrammierung der Stammzellen, um sie in ihren frühesten Zustand zurückzuversetzen. Außerdem stand ihnen die Effizienz eines Geräts zur Verfügung, das mit einer Nährlösung in Gefäßen, die sich ständig bewegen, als Gebärmutter zur Kultivierung von Mäuse-Embryonen (die bei einer früheren Forschung auf natürlichem Weg gezeugt wurden) dient und die Art und Weise simuliert, in der die Nährstoffe durch die Blutbahn zur Plazenta gelangen, wobei der Austausch von Sauerstoff und Luftdruck stetig kontrolliert wurde.
Bei dieser neuen Studie hatte sich das Team vorgenommen, ein synthetisches Embryonen-Modell zu kultivieren, das ausschließlich aus Mäuse-Stammzellen besteht, die jahrelang in einer Petri-Schale kultiviert wurden, wodurch auf eine andernfalls nötige, befruchtete Eizelle verzichtet werden konnte. Bevor diese Zellen in das Extrauterin-Gerät gesetzt wurden, unterteilte man sie in 3 Gruppen: eine Gruppe, in der sie so blieben, wie sie waren und weitere zwei Gruppen, bei denen sie vorher behandelt wurden, um extraembryonale Gewebe zu erzeugen. Als man sie im Gerät miteinander mischte, nahmen 0,5% Formen an, die der Struktur eines Embryos ähnelten. Anschließend konnten die Forscher beobachten, wie sich außerhalb der Embryonen die Plazenta und der Dottersack formten und die Entwicklung eines synthethischen Modells, wie bei einem natürlichen Embryo.
“Als man sie mit natürlichen Mäuse-Embryonen verglich, zeigten die synthetischen Modelle sowohl in der Art der inneren Strukturen, als auch in den Mustern der Genexpression der verschiedenen Zellarten eine Ähnlichkeit von 95%. Die bei diesen Modellen festgestellten Organe wiesen alle Anzeichen dafür auf, funktionsfähig zu sein“, betonte Herr Dr. Hanna.
Eine ganze Bandbreite an Möglichkeiten, was künftige Transplantationen angeht
Auf lange Sicht ist es das realistischste Ziel, zu untersuchen, wie die Stammzellen verschiedene Organe in einem in der Entwicklung befindlichen Embryo ausbilden, um neue Therapiehorizonte für Organtransplantationen zu eröffnen. Dies könnte dazu führen, dass man eines Tages synthetische Embryo-Modelle verwenden kann, um Gewebe und Organe zu kultivieren.
Um aber die Möglichkeit zur Entwicklung von Zellen zu therapeutischen Zwecken zu erhalten, ist es notwendig, ihre Mechanismen zur Umprogrammierung und Differenzierung zu verstehen und diese Veränderungen der Stammzellen während der Embryogenese und der Organogenese zu beobachten. Zudem muss der Grad der Übereinstimmung der In-vitro-Zellen mit lebenden Zellen untersucht werden.
Ferner könnte dieses Projekt dazu beitragen, die ethische Debatte zu Experimenten mit natürlichen Embryonen zu vereinfachen und zusätzlich die Tierversuche im Labor zu verringern. Zu einem großen Teil könnten so die technischen und ethischen Probleme umgangen werden, die die Verwendung von natürlichen Embryonen in Forschung und Biotechnologie aufwerfen. Selbst im Fall von Mäusen sind aktuell bestimmte Experimente undurchführbar, weil sie tausende Embryonen erfordern würden, während der Zugang zu Modellen aus embryonalen Mäusezellen, die millionenfach in Brutkästen im Labor gezüchtet werden, praktisch unbegrenzt wäre.
Die nächste Herausforderung besteht darin, zu verstehen, wieso die Stammzellen wissen, was sie zu tun haben: Wie sie sich selbst zu Organen zusammensetzen und den Weg zu den Stellen finden, die ihnen innerhalb eines Embryos zugeordnet sind. Und weil dieses System – im Gegensatz zu einer Gebärmutter – transparent ist, kann es auch zur Behebung von Geburts- und Einnistungsfehlern von menschlichen Embryonen sehr nützlich sein.
“Anstatt ein eigenes Protokoll für die Kultivierung eines jeden Zelltyps zu entwickeln – z.B. für Nieren- oder Leberzellen – könnten wir möglicherweise eines Tages ein synthetisches Modell schaffen, das dem Embryo ähnelt und anschließend die Zellen, die wir benötigen, entsprechend isolieren. Den daraus erwachsenden Organen müssen wir nicht vorschreiben, wie sie sich zu entwickeln haben, der Embryo kann dies nämlich selbst am besten“, schloss Herr Dr. Hanna.
Über den 10th International IVIRMA Congress
IVI veranstaltet vom 20.-22. April 2023 seinen 10th International IVIRMA Congress zur assistierten Reproduktion, zu dem sich die wichtigsten Forscher aus diesem Bereich weltweit einfinden. Bei diesem Event werden die auf dem Gebiet der Reproduktionsmedizin erzielten Fortschritte und die Ergebnisse der jüngsten Forschungen vorgestellt. Außerdem dient er als Treffpunkt, an dem die besten Praktiken zur Verbesserung der Ergebnisse im täglichen Ablauf dieser Tätigkeit miteinander geteilt werden können. Zu dem Kongress, dessen 10. Veranstaltung dieses Jahr in Malaga stattfindet, kommen mehr als 1.200 Spezialisten aus 57 Ländern. Er wird alle zwei Jahre abgehalten.