- Zum ersten Mal kann mithilfe von Licht und einer hyperspektralen Kamera ein molekularer Fingerabdruck einzelner Spermien erfasst und ein biochemisches Profil erstellt werden – ohne invasive Eingriffe. Damit lässt sich die Wahrscheinlichkeit vorhersagen, mit der eine Samenzelle zu einem entwicklungsfähigen Embryo führt
- Diese Technik beeinträchtigt die Lebensfähigkeit der Spermien in keiner Weise und könnte die Rate entwicklungsfähiger Blastozysten potenziell verdoppeln
- Neben Sicherheit und Präzision überzeugt die Methode durch einfache Anwendbarkeit im IVF-Labor dank leicht zugänglicher und kostengünstiger Ausrüstung
PARIS, 1. JULI 2025
Die Reproduktionsmedizin macht einen bedeutenden Schritt in Richtung Zukunft: Mit der Einführung der hyperspektralen Spermienbildgebung steht nun ein nicht-invasives Verfahren zur Verfügung, das – ohne die Spermien zu schädigen – jene mit dem höchsten Entwicklungspotenzial identifizieren kann.
Männliche Unfruchtbarkeit hat historisch gesehen weniger wissenschaftliche Aufmerksamkeit erhalten als die weibliche, unter anderem aufgrund des Erfolgsverfahrens der ICSI (intrazytoplasmatische Spermieninjektion), das auch mit wenigen oder eingeschränkt befruchtungsfähigen Spermien eine Befruchtung ermöglicht. Dabei wurde jedoch häufig übersehen, dass die Qualität der einzelnen Samenzellen maßgeblich zur genetischen und entwicklungsbiologischen Qualität des Embryos beiträgt – immerhin zur Hälfte.
Die im Rahmen des 41. ESHRE-Jahreskongresses vorgestellte Studie mit dem Titel “Hyperspectral imaging of single spermatozoa before ICSI predicts optimal embryo development: potential use as a non-invasive tool for sperm selection”, beschreibt ein neuartiges Vorhersagemodell, das das Potenzial einzelner Spermien zur Erzeugung entwicklungsfähiger Embryonen beurteilt – mit vielversprechenden Ergebnissen. „Bisher beruhte die Samenanalyse auf Parametern wie Konzentration, Beweglichkeit und Morphologie. Für präzisere biochemische Analysen mussten die Spermien zerstört werden, was sie für klinische Zwecke unbrauchbar machte”, erklärt Dr. Nicolás Garrido, wissenschaftlicher Direktor der Fundación IVI und Leiter der Studie.
Mit der hyperspektralen Bildgebung wird dieser Paradigmenwechsel möglich: Erstmals gelingt es, allein mit Licht und einer spezialisierten Kamera die molekulare Signatur jeder einzelnen Samenzelle zu erfassen – und das völlig ohne Beeinträchtigung ihrer Funktionsfähigkeit.
„Klinisch ermöglicht dieses Verfahren die gezielte Auswahl der entwicklungsfähigsten Spermien in jeder Probe – ein entscheidender Vorteil, der die Rate an entwicklungsfähigen Blastozysten verdoppeln könnte. Dies ist besonders relevant bei Patientinnen mit eingeschränkter ovarieller Reserve oder schlechter Embryoqualität. Während die Embryoselektion nur dabei hilft, den am besten geeigneten Embryo für den Transfer auszuwählen, ohne die Gesamtanzahl zu erhöhen, kann die gezielte Spermienselektion durch hyperspektrale Analyse die Entstehung entwicklungsfähiger Embryonen von Anfang an optimieren. Gerade bei Patienten mit ungünstiger Prognose, bei denen jeder Versuch zählt, ist das ein echter Fortschritt – mit personalisierten Vorhersagen beginnt für die männliche Fertilität eine neue Ära der Präzision und Effektivität”, so Dr. Garrido.
Die Studie sorgt in der Reproduktionsmedizin für großes Interesse. Die Methode ist nicht nur sicher und zuverlässig, sondern auch skalierbar und praktikabel. Durch die vergleichsweise niedrigen Kosten der hyperspektralen Kamera ist eine breite Einführung in IVF-Laboratorien weltweit möglich.