Künstliche Intelligenz (KI) hat sich im Bereich der assistierten Reproduktion kontinuierlich weiterentwickelt – mit dem Ziel, die Ungewissheiten für Patientinnen und Patienten zu minimieren, deren wichtigster Wunsch es ist, eine Schwangerschaft zu erreichen. In diesem Beitrag beleuchten wir die neuesten Entwicklungen im Bereich KI, die Bedeutung einer präzisen Auswahl von Embryonen und Gameten sowie den Einfluss dieser Innovationen auf die Behandlungsergebnisse.
Warum ist die Embryonenauswahl entscheidend?
Die Auswahl geeigneter Embryonen ist ein zentraler Schritt, um die mit dem höchsten Einnistungspotenzial zu identifizieren. Dadurch lassen sich das Risiko von Mehrlingsschwangerschaften, genetischen Auffälligkeiten und die Anzahl der zu übertragenen Embryonen deutlich reduzieren.
Eine präzise Auswahl von Gameten und Embryonen ist essenziell für den Erfolg einer assistierten Reproduktionsbehandlung. Die Studie „Predicting time to live birth with Deep Learning embryo ranking: a novel multiple imputation approach“, durchgeführt von Forschenden bei IVI Valencia, zeigt, dass KI die Zeit bis zur erfolgreichen Geburt eines Babys um bis zu 7 % verkürzen kann.
Wie Dr. Marcos Meseguer, Global Director of Embryology bei IVI RMA und Studienkoordinator, erklärt: „Unsere Studie, basierend auf einer umfangreichen Auswahl von 70.000 Embryonen, ermöglicht bessere Ergebnisse in kürzerer Zeit und mit höherer Sicherheit. Das verkürzt die Behandlungsdauer erheblich und reduziert die emotionale Belastung vieler Patientinnen und Patienten.“
Für Patienten ist jeder Fortschritt im Bereich künstlicher Intelligenz ein Hoffnungsschimmer – und ein positiver Ansporn, den Weg weiterhin optimistisch zu beschreiten. Laut der Studie „Undisturbed culture: a clinical examination of this culture strategy on embryo in vitro development and clinical outcomes“ kann der Einsatz von KI bei der Embryonenauswahl die Schwangerschaftsraten um 5 % und die kumulativen Raten sogar um bis zu 7 % steigern.
Darüber hinaus reicht der Einfluss der Embryonenauswahl noch weiter. Wie Dr. Meseguer betont: „Unsere Forschung hat gezeigt, dass in 80 % der Fälle, in denen Embryologen Embryonen auswählten, die KI eine Alternative mit besserer Prognose vorschlug. Diese Daten unterstreichen, dass der Einfluss von KI in der assistierten Reproduktion erst am Anfang steht.“
Warum ist die Auswahl von Gameten wichtig?
Die Auswahl von Eizellen und Spermien mit optimalen biologischen Merkmalen ist entscheidend für den Erfolg einer Schwangerschaft. Sie trägt zudem zur Vermeidung genetischer Erkrankungen bei und verbessert die reproduktiven Ergebnisse insgesamt.
Bei IVI werden verschiedene Forschungsinitiativen vorangetrieben, darunter die Studie „AI Powered Oocyte Assessment“, in der mithilfe von KI mehr als 3.000 Eizellen und 300 Samenproben analysiert werden, um Embryologinnen und Embryologen im Labor gezielt zu unterstützen.
„Wird KI zur Qualitätsvorhersage von Gameten eingesetzt, unterstützt sie maßgeblich Strategien zur Fertilitätserhaltung und Eizellspendeprogramme. Sie hilft den Fachkräften auf zwei wesentliche Arten: Erstens durch die Analyse der Spermienbeweglichkeit und -morphologie in Echtzeit zur Identifikation der befruchtungsfähigsten Spermien; zweitens durch die Beurteilung der Eizellqualität, um die qualitativ hochwertigsten Eizellen auszuwählen“, erklärt Professorin Laura Rienzi, Wissenschaftliche Direktorin bei IVI RMA Italien.
Neue Fortschritte bei der ovariellen Stimulation
Die ovarielle Stimulation ist ein präzise gesteuerter Prozess, bei dem mehrere Follikel gleichzeitig zur Reifung gebracht werden, um eine größere Anzahl an Eizellen zu gewinnen – sei es zur Befruchtung oder zur Kryokonservierung, je nach Behandlungsziel.
Künstliche Intelligenz bietet vielversprechende Applikationen im Rahmen ovarieller Stimulationsprotokolle, da sowohl Qualität als auch Quantität der gewonnenen Eizellen entscheidend für den Erfolg assistierter Reproduktionstechnologien sind.
Bislang fehlte eine standardisierte Methode zur gezielten Bewertung der Rolle von Eizellen. Dies führte zur Entwicklung neuer, KI-gestützter Instrumente zur präziseren Beurteilung.
Ein Beispiel ist die Studie „Machine learning tool for predicting mature oocyte yield and trigger day from start of stimulation: towards personalized treatment“, veröffentlicht in Reproductive Biomedicine Online. Sie bietet Patientinnen personalisierte Informationen über die erwartete Eizellausbeute, Stimulationsdauer und den voraussichtlichen Zeitpunkt der Eizellentnahme.
Zu den wichtigsten Fortschritten zählt die personalisierte Behandlung: Dieses KI-gestützte Tool nutzt Deep-Learning-Algorithmen zur Analyse früherer Stimulationszyklen und ermöglicht so individuell zugeschnittene Prognosen. Dies hilft Ärztinnen und Ärzten, Stimulationsprotokolle an die spezifischen Eigenschaften der Patientin anzupassen und die Erfolgsraten zu verbessern.
Darüber hinaus reduziert es unnötige Klinikbesuche durch präzise Vorhersagen des Ovulationstrigger-Zeitpunkts und der Eizellanzahl – was Zeit und Aufwand spart und den Stress, der häufig mit Fertilitätsbehandlungen einhergeht, deutlich verringert.
„Ein weiterer bedeutender Beitrag ist die verbesserte klinische Entscheidungsfindung dank präziser Vorabinformationen zum Stimulationszyklus. Dadurch sind fundiertere und zeitgerechtere Entscheidungen möglich, mit höherer Genauigkeit und geringerer systembedingter Abweichung als bei traditionellen Methoden, die stark von der behandelnden Fachkraft oder Klinik abhängen. KI liefert konsistente, datengestützte Vorhersagen und verbessert die Behandlungsergebnisse signifikant“, resümiert Professorin Rienzi.
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