Bedeutung und kleiner historischer Exkurs
Die griechische Vorsilbe kryo bedeutet Frost, Kälte. Kryokonservierung bezieht sich auf die Erhaltung und Lagerung von vitalen Zellen und Gewebe bei -196° C. Das erfolgreiche Einfrieren von Keimzellen ist seit Mitte der Achtziger Jahre integraler Bestandteil der Reproduktionsmedizin. Zunächst wurde dem langsamen Einfrieren der Vorzug gegeben, dem “slow freezing”. Diese Methode erlaubte eine relativ niedrige Konzentrierung von Gefrierschutzmittel. Jedoch waren langsam eingefrorene Zellen von Einfrierschäden potentiell beeinträchtigt. Für die Zellen war besonders die Gefahr der Letalität in dem Temperaturbereich zwischen -15 und -60°C problematisch, die sowohl beim Einfrieren als auch beim Auftauen zu durchlaufen ist. Es galt die Bildung von Eiskristallen in den Zellen zu vermeiden.
Eine aufregende Entwicklung
Mit der ersten erfolgreichen Vitrifikation von humanen Eizellen Ende der Neunziger Jahre gelang es, die Überlebensraten von Eizellen und Embryonen deutlich zu verbessern. Dabei handelt es sich um ein ultraschnelles Einfrierverfahren mit Kryokonservierungsmitteln. Nachdem damit der traditionell langsamen Kryokonservierung ihre Grenzen aufgezeigt wurden, ist die Vitrifikation heutzutage die beste Option und findet bei Kinderwunschzentren wie IVI routinemäßige Anwendung.
IVI erreichte im Jahr 2006 die erste Schwangerschaft in Europa mit vitrifizierten Eizellen. Sie ist eine der bahnbrechenden Entwicklungen in der Reproduktionsmedizin. Der Definition zufolge, handelt es sich bei der Vitrifikation um die Erstarrung von Wasser ohne Eiskristallbildung bei Temperaturen weit unter 0°C. Durch das ultraschnelle Einfrieren erhält die Lösung einen glasähnlichen amorphen Aggregatzustand ohne kristalline Strukturen, die die Zelle verletzen können.
IVI verzeichnet hohe Überlebenschancen der vitrifizierten Eizellen: Mehr als 90 % überleben das Einfrieren und das Auftauen. IVI setzt auch hier auf modernste Technik: Das von IVI genutzte Cryotop-Verfahren ist die neueste Methode mit den besten Erfolgsaussichten.
Der Prozess der Vitrifikation in Kürze
Das Wasser in der entnommenen Eizelle oder den Eizellen wird durch Gefrierschutzmittel ersetzt. Die Eizelle wird dehydriert auf ein Röhrchen geladen und in Flüssigstickstoff getaucht, wodurch die Eizellen in 1 Sekunde von 25°C auf -196°C tiefgekühlt werden. Im Stickstofftank gelagert, kann die Eizelle prinzipiell über einen sehr langen Zeitraum unversehrt aufbewahrt werden. Durchschnittlich lagern sie bei IVI bis zu 10 Jahre, aber die Entscheidung über die Dauer wird von der jeweiligen Patientin in Absprache mit dem Arzt getroffen.
Ist der Moment für eine erwünschte Schwangerschaft gekommen, wird die Eizelle auf Normaltemperatur erwärmt und rehydriert. Danach werden mittels des ICSI-Verfahrens die Spermien des Partners oder eines Samenspenders in die Eizelle injiziert. Im Anschluss findet der Embryonentransfer in die Gebärmutter statt, die zuvor hormonell auf die Einnistung vorbereitet wurde.
Für wen kommt eine Vitrifikation von Eizellen in Frage?
Ab dem 35. Lebensjahr und verstärkt ab dem 40. Lebensjahr sinken Produktion und Qualität der Eizellen.
Das Einfrieren der Eizellen kommt also für Frauen in Frage, die die Mutterschaft in die Zukunft verlegen wollen, sei es aus beruflichen, ökonomischen oder persönlichen Gründen. Im deutschen Sprachraum wird hier auch vom Social Freezing gesprochen.
Besonders signifikant sind medizinische Gründe. Im Monat März haben wir auf diesem Blog über eine der häufigsten Frauenkrankheiten, die Endometriose, berichtet. Wird ein chirurgischer Eingriff an den Eierstöcken notwendig, kann eine Vitrifikation überaus sinnvoll sein.
Krebspatientinnen erlaubt das Einfrieren ihrer Eizellen vor einer Chemotherapie und Bestrahlung, den Kinderwunsch nach überstandener Krankheit neu zu denken. Die Behandlungen, denen die erkrankten Frauen ausgesetzt sind, können die Fruchtbarkeit beeinträchtigen, da sie Keimdrüsen angreifen. Bei IVI handelt es sich beim größten Anteil der Frauen, die eine Vitrifikation in Anspruch nehmen, um Patientinnen mit der Diagnose Brustkrebs. Zwischen der Diagnose und der anschließenden Behandlung verbleibt nicht viel Zeit. Deswegen ist es sehr wichtig, sich bei Kinderwunsch sofort über die Lagerung von Eizellen zu informieren und die persönlichen Möglichkeiten mit den Reproduktionsmedizinern zu ermitteln. Eine erfolgreiche In-vitro-Behandlung, nachdem der Krebs besiegt wurde, hängt in hohem Maße von der Anzahl der zur Verfügung stehenden Oozyten, die eingefroren werden können, also von der Eizellreserve der Frau, ab.
In welchem Stadium lassen sich Eizellen einfrieren?
Die Vitrifikation stellt eine optimale Möglichkeit für die Konservierung von unbefruchteten Oozyten für die im vorherigen Abschnitt benannten Frauengruppen dar. Studien belegen, dass vitrifizierte Eizellen keinerlei Chromosomenanomalien aufgrund des Prozesses des Einfrierens aufzeigen. Die Erfolgsaussichten einer Kinderwunschbehandlung sind bei eingefrorenen und frischen Eizellen die gleichen.
Neben unbefruchteten können auch befruchtete Eizellen in verschiedenen Stadien eingefroren werden: im Vorkernstadium (Zygote), in Teilungsstadien sowie im Blastozystenstadium (Stadium etwa 5 Tage nach Eizellentnahme). IVI präferiert den Blastozystentransfer nach 5 Tagen gegenüber einem Embryonentransfer nach 2 oder 3 Tagen. Wenn das Stadium der Blastozyste erreicht ist, hat sich der Embryo bereits als stark erwiesen. Da nicht alle Zellen das Blastozystenstadium erreichen, werden durchschnittlich weniger Embryonen pro Frau vitrifiziert. Jedoch besitzt die eingefrorene Blastozyste nach dem Erwärmen ein deutlich höheres Einnistungspotential in die Gebärmutter als Vorkern- und Teilungsstadien.
Ein Verfahren auch für den Mann: Kryokonservierung von Samenzellen
Das Einfrieren von männlichen Samenzellen ist eine einfache Möglichkeit, die Fruchtbarkeit des Mannes zu erhalten. Hierfür können die Spermien auf natürlichem Weg oder, wenn dies nicht möglich ist, durch Hodenbiopsie oder epidymale Punktion gewonnen werden. IVI setzt auch die mikrochirurgische und minimal invasive Technik Mikro-TESE ein, um Spermatozoen im Hodengewebe zu finden und zu gewinnen, wenn im Ejakulat keine vorhanden sind. Das Risiko von Hodenschäden ist hierbei minimal, die Hormonfunktion bleibt erhalten.
Eine Kryokonservierung von Samenzellen geht mit einer anschließenden intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) als Befruchtungsmethode einher, die besonders dann empfehlenswert ist, wenn nur eine begrenzte Anzahl von Samen zur Verfügung steht. Diese wird routinemäßig sowohl mit frischen als auch kryokonservierten Samen durchgeführt. Gründe, die eine ICSI-Behandlung und möglicherweise ein vorheriges Einfrieren notwendig machen, können folgende sein:
– Geringe Qualität und Quantität von Spermien
– Eine durchgeführte Vasektomie oder eine zu erwartende Bestrahlung und/oder Chemotherapie
– Probleme bei der Ejakulation
Technik der Zukunft: Kryokonservierung von Ovarialgewebe und ovariellem Kortexgewebe
Das Einfrieren von Eierstockgewebe bedarf zum Zeitpunkt weiterer Forschungstätigkeit. Das Verfahren ermöglicht die Wiederherstellung der Eierstockfunktion, wodurch sogar natürliche Schwangerschaften möglich sind. Ein Vorteil ist die Durchführung ohne Zeitaufwand, was besonders bei Krebspatientinnen, die unverzüglich eine Chemotherapie beginnen müssen, ein großer Vorteil wäre. Zudem ist diese Methode für präpubertäre Mädchen die einzige Möglichkeit, ihre Fruchtbarkeit für die Zukunft zu bewahren. Ein Nachteil momentan ist das Risiko einer Transplantation von erkrankten Zellen, so dass die Kryokonservierung von tieferen Schichten des Eierstockgewebes noch nicht routinemäßig angeboten wird.
Vielversprechend ist jedoch die Kryokonservierung vom ovariellen Kortexgewebe, der Eierstockrinde. IVI-Studien zeigen, dass keine malignen Zellen im Kortexgewebe von Brustkrebspatientinnen gefunden wurden. Die Mehrzahl der Primordial- und Primärfollikel befindet sich auf dieser Gewebsschicht. Kortikale Gewebsfragmente lassen sich kryokonservieren und nach dem Wiederauftauen retransplantieren. Erfolgreiche Schwangerschaften erfolgten sowohl spontan als auch nach Anwendung von IVF/ICSI.
Der Erhalt der Fertilität wird ein Thema auf dem 7. Internationalen IVI-Kongress sein, der vom 11.-13. Mai 2017 in Bilbao abgehalten wird, und die neuesten Forschungsergebnisse im Bereich Reproduktionsmedizin vorstellt. Hier findest du ausführliche Informationen (auf Englisch).
Weitere Informationen zum Prozess der Vitrifikation sowie zu den Kosten, findest du auf unserer Webseite.
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