Und wenn man künftig Gewebe und Organe erzeugen könnte, die für menschliche Transplantationen geeignet wären? Die jüngsten Erkenntnisse in der Reproduktionsmedizin können der Schlüssel dafür sein, solche Transplantationen möglich zu machen und so wurde das Thema soeben auf dem 10th IVIRMA Congress präsentiert, der in Malaga stattgefunden hat. Ein Forscherteam unter der Leitung von Herrn Dr. Jacob Hanna vom Department of molecular Genetics des Weizmann Institute of Science hat synthetische Mäusezellen erschaffen. Aus diesen entstanden künstliche Embryos, die sich in einer Ersatz-Gebärmutter entwickelt haben.
Bereits heute geben wir weitere Einzelheiten dieser Erkenntnisse bekannt, die eine für die eigentliche Forschungstätigkeit, aber vor allem für die Medizin eine Schlüsselrolle spielen können, da sie die Verwendung von synthetischen Zellen erlauben.
Wie werden künstliche Embryos erzeugt?
Als Ausgangspunkt hat das Forscherteam sich auf seine eigenen früheren Errungenschaften zur Umprogrammierung von Stammzellen gestützt, um sie in eine frühere Phase zurückzuversetzen. Außerdem konnten sie auf die Effizienz eines Gerätes bauen, das die Gebärmutter zur Kultivierung von Mäuse-Embryos (natürliche, aus einer früheren Forschung entstandene) mit einer Nährlösung in Gefäßen, die sich kontinuierlich bewegen und so die Art und Weise nachahmen, mit der die Nährstoffe durch den Blutkreislauf in die Plazenta gelangen, ersetzt, wobei der Austausch von Sauerstoff und Luftdruck stetig kontrolliert wird.
In der neuen Studie nahm sich das Team vor, das Modell eines synthetischen Embryos zu kultivieren, der ausschließlich aus Mäuse-Stammzellen besteht, die jahrelang in einer Petri-Schale kultiviert wurden, wodurch auf eine andernfalls nötige, befruchtete Eizelle verzichtet werden konnte. Bevor diese Zellen in das Extrauterin-Gerät gesetzt wurden, unterteilte man sie in 3 Gruppen: eine Gruppe, in der sie so blieben, wie sie waren und weitere zwei Gruppen, bei denen sie vorher behandelt wurden, um extraembryonale Gewebe zu erzeugen. Als man sie im Gerät miteinander mischte, nahmen 0,5% Formen an, die der Struktur eines Embryos ähnelten. Anschließend konnten die Forscher beobachten, wie sich außerhalb der Embryonen die Plazenta und der Dottersack formten und die Entwicklung eines synthethischen Modells, wie bei einem natürlichen Embryo.
“Als man sie mit natürlichen Mäuse-Embryonen verglich, zeigten die synthetischen Modelle sowohl in der Art der inneren Strukturen, als auch in den Mustern der Genexpression der verschiedenen Zellarten eine Ähnlichkeit von 95%. Die bei diesen Modellen festgestellten Organe wiesen alle Anzeichen dafür auf, funktionsfähig zu sein“, betonte Herr Dr. Hanna.
Die Entwicklung von Organen aus künstlichen Embryonen
Die daraus gewonnenen künstlichen Embryonen verfügen über Fortpflanzungszellen oder speziell über ein schlagendes Herz, ein Gehirn mit wohl geformten Gehirnwindungen, einen Dottersack, ein Neuralrohr, einen Darmtrakt, eine Plazenta und einen entstehenden Blutkreislauf, und zwar innerhalb eines Entwicklungszeitraums von nur 8 Tagen, also fast der Hälfte der 20-tägigen Schwangerschaft, die eine Maus dafür braucht.
Herr Dr. Hanna, beigeordneter Professor am Weizmann Institute of Science, erläuterte wie folgt: „Der Embryo ist der perfekte Ausgangspunkt zur Erzeugung von Organen und der beste „Biodrucker in 3D“, und das ist der Schlüssel, um Mechanismen zu erschaffen, die es uns ermöglichen, dass sich die Stammzellen von den spezifischen Zellen des Körpers unterscheiden oder direkt ganze Organe bilden. Bisher war dies äußerst kompliziert und um es zu erreichen, war es von grundlegender Bedeutung, das Potential des Selbstorganisationsgebers der Stammzellen freizusetzen“.
Auf lange Sicht ist es nun das realistischste Ziel zu untersuchen, wie die Stammzellen verschiedene Organe in dem in der Entwicklung befindlichen Embryo ausbilden. Dies eröffnet neue Therapiehorizonte für Organtransplantationen. Tatsächlich könnte das eines Tages dazu führen, dass man synthetische Embryo-Modelle verwenden kann, um Gewebe und Organe zu kultivieren.
Bevor man aber Zellen zu therapeutischen Zwecken entwickeln kann, ist es zunächst notwendig, ihre Mechanismen zur Umprogrammierung und Differenzierung zu verstehen. Dazu muss man diese Veränderungen der Stammzellen während der Embryogenese und der Organogenese beobachten. Zudem muss der Grad der Übereinstimmung der In-vitro-Zellen mit lebenden Zellen untersucht werden.
Ein Fortschritt zur Vermeidung der Verwendung von Versuchstieren
Die Entwicklung künstlicher Embryonen zu Forschungszwecken ermöglicht es auch, dafür weniger Tiere zu verwenden. Außerdem könnte es die ethische Debatte zu Experimenten mit natürlichen Embryonen vereinfachen.
Zum anderen stellt dies einen weiteren Fortschritt für die Forschung und Biotechnologie dar, da so die technischen Probleme umgangen werden könnten, die die Verwendung von Embryonen ebenfalls aufwerfen. Selbst im Fall von Mäusen sind aktuell bestimmte Experimente undurchführbar, weil sie tausende Embryonen erfordern würden, während der Zugang zu Modellen aus embryonalen Mäusezellen, die millionenfach in Brutkästen im Labor gezüchtet werden, praktisch unbegrenzt wäre
Der nächste Schritt in dieser Forschung
Sobald untersucht und herausgefunden wurde, wie die Stammzellen verschiedene Organe in einem in der Entwicklung begriffenen Embryo ausbilden, eröffnet sich die nächste Herausforderung, nämlich zu verstehen wieso die Stammzellen wissen, was sie zu tun haben, also wie sie sich selbst zu Organen zusammensetzen und den Weg zu den Stellen finden, die ihnen innerhalb eines Embryos zugeordnet sind. Dieses System kann auch bei der Behebung von Geburts- und Einnistungsfehlern von menschlichen Embryonen nützlich sein.
“Anstatt ein eigenes Protokoll für die Kultivierung eines jeden Zelltyps zu entwickeln – z.B. für Nieren- oder Leberzellen – könnten wir möglicherweise eines Tages ein synthetisches Modell schaffen, das dem Embryo ähnelt und anschließend die Zellen isolieren, die wir benötigen. Den daraus erwachsenden Organen müssen wir nicht vorschreiben, wie sie sich zu entwickeln haben, der Embryo kann dies nämlich selbst am besten“, schloss Herr Dr. Hanna.
Der “10th IVIRMA Congress”: Eine Referenz auf diesem Gebiet
Die zehnte Veranstaltung des IVIRMA Congress findetet vom 20.-22. April 2023 in Malaga statt und dort traffen sich die wichtigsten Forscher aus diesem Bereich weltweit. Bei diesem Event werden die auf dem Gebiet der Reproduktionsmedizin erzielten Fortschritte, die innovativsten Techniken und die Ergebnisse der jüngsten Forschungen vorgestellt. Außerdem dient er als Treffpunkt, an dem die besten Praktiken zur Verbesserung der Ergebnisse im täglichen Ablauf dieser Tätigkeit miteinander geteilt werden können. Zu dem Kongress kommen mehr als 1.200 Spezialisten aus 57 Ländern. Er wird alle zwei Jahre abgehalten.
Kommentare sind geschlossen.