Vom 2. bis 5. Juli 2017 fand in Genf die 33. Tagung der europäischen Fachgesellschaft ESHRE (European Society of Human Reproduction and Embryology) statt.
Hauptziel von ESHRE ist es, das Interesse an und das Verständnis von Reproduktionsbiologie und -medizin zu fördern. Dies geschieht, indem der Öffentlichkeit, Wissenschaftlern, Klinikern und Patientenvereinigungen Forschungsergebnisse im Bereich der humanen Reproduktionsmedizin und Embryologie vorgestellt werden. Mittels Ausbildungs- und Trainingsprogrammen wird zudem die kontinuierliche Verbesserung von Klinikpraktiken unterstützt. Dazu gehört auch das zweijährige Ausbildungsprogramm der IVI-Stiftung und Ferring Pharmaceuticals, das sich an junge Geburtshelfer*innen und Gynäkolog*innen richtet.
IVI präsentierte auf der Fachtagung in Genf insbesondere zwei Forschungslinien und ihre aktuellen Ergebnisse: Zum einen eine Studie zum Erfolg der Kinderwunschbehandlung mit vitrifizierten Eizellen bzw. kryokonserviertem Eierstockgewebe, zum anderen verbesserte Chancen bei männlicher Unfruchtbarkeit durch einfach durchführbare Tests bei der Erstuntersuchung.
Vitrifikation von Eizellen (Oozyten) oder Kryokonservierung von Ovarialgewebe
In Zeiten, in denen sich die Schwangerschaft vielfach nach hinten verschiebt, ist es angebracht, über Maßnahmen zur Bewahrung der Fertilität nachzudenken. Am fruchtbarsten ist die Frau zwischen ihrem 25. und 35. Lebensjahr, danach sinkt die Eizellreserve rapide. Das ultraschnelle Einfrieren (Vitrifikation) von Eizellen ist eine der sicheren und häufig angewandten Methoden, um zum Zeitpunkt des Kinderwunsches auf qualitativ gute Eizellen zurückgreifen zu können. Aber es gibt auch andere Möglichkeiten, etwa das Einfrieren von Ovarialgewebe aus der Eierstockrinde.
Die Ergebnisse einer Studie, durchgeführt von IVI und dem Universitätskrankenhaus La Fe in Valencia, legen nahe, dass die Erfolgschancen für eine Schwangerschaft, egal ob Eizellen vitrifiziert oder Eierstockgewebe kryokonserviert wurde, etwa gleich hoch sind. Die Studie läuft seit 2012, also seitdem beide Methoden regelmäßig zur Anwendung kommen. IVI führt die Vitrifikation von Eizellen bereits mit hohem Erfolg seit 2007 durch und ist damit weltweit Pionier in dieser Option zur Erhaltung der Fruchtbarkeit. Die Forschungsergebnisse basieren auf den Daten von 1759 Patientinnen (1024 Vitrifikationen von Eizellen und 735 Kryokonservierungen von Ovargewebe). Sie zeigen, dass die Nutzung der eigenen zuvor tiefgefrorenen Eizellen oder des Ovarialgewebes mit dem Ziel einer Schwangerschaft zu einer ähnlichen Erfolgsrate für den Kinderwunsch führen.
Es ist wichtig zu verstehen, dass nicht jede Technik auf jede Patientin angewandt werden kann. Die Bedeutung der Ergebnisse besteht darin, dass sowohl die IVI-Kinderwunschzentren als auch die Universitätsklinik La Fe durch ihre vielfältige Bandbreite an Techniken immer besser in der Lage sind, die für jeden individuellen Fall angemessenste Behandlung anzubieten.
An zwei Beispielen verdeutlicht:
Eine Vitrifikation von Eizellen ist empfehlenswerter bei einer Frau mit guter Eizellreserve, die sich einer Chemotherapie unterziehen muss, jedoch genügend Zeit hat, um für die Entnahme von Oozyten eine hormonelle Stimulierung der Eierstöcke durchführen zu lassen.
Die Kryokonservierung von Ovarialgewebe ist dagegen geeignet bei vorpubertären Patientinnen (also noch vor einsetzender Regelblutung). Auch wenn Krebspatientinnen aufgrund eines aggressiven Tumors zu wenig Zeit für die Stimulierung der Eierstöcke verbleibt, stellt die Kryokonservierung des Gewebes eine Alternative dar. Nach erfolgreicher Krebsbehandlung, die jedoch ein Eierstockversagen als Nebenwirkung zur Folge haben kann, wird bei Kinderwunsch das eingefrorene Gewebe aufgetaut und wieder implantiert. Diese Methode kann die Funktionalität der Eierstöcke wieder herstellen.
Verbesserung der Untersuchung und Behandlung von männlicher Sterilität
Eine zweite Forschungslinie, die IVI aktuell verfolgt und deren Ergebnisse auf der 33. Fachtagung der ESHRE vorgestellt wurden, zeigt eine Wechselbeziehung zwischen einer niedrigen Spermienqualität aufgrund von Chromosomen- und genetischen Anomalien und einer niedrigeren Schwangerschaftsrate. In 40% der Fälle finden sich die Ursachen für ungewollte Kinderlosigkeit eines Paares beim Mann. Behandlungsmöglichkeiten zur Auswahl und zum Auffinden guter Spermatozoen sind also von ebenso großer Bedeutung für die Reproduktionsmedizin wie Methoden zur Wahrung der Fruchtbarkeit der Frau.
Auf der ESHRE wurden Schlussfolgerungen aus drei Studien präsentiert, die sich auf die Verbesserung der Untersuchung und Behandlung männlicher Unfruchtbarkeit konzentriert haben. Normalerweise wird beim Mann bei einer ersten Untersuchung ein Spermiogramm erstellt, das viele Daten bereitstellt, jedoch bestimmte Faktoren, die die Samenqualität beeinflussen können, nicht analysiert. Es wird weder die Chromosomenausstattung noch die Qualität und Quantität des genetischen Materials der Spermien berücksichtigt. Chromosomale Abweichungen, etwa Polymorphismen (Genvarianten innerhalb einer Population) oder Inversionen, können Ursache für eine schlechtere Spermienqualität sein, so eine Studie von Dr. Cristina González (IVI). Ihre Lösung ist einfach. Es genügt, mittels einfacher Blutprobe einen Test des Karyotyps durchzuführen, d.h. eine Fotografie aller Chromosomen einer Zelle anzufertigen, um Schwierigkeiten für eine erfolgreiche Schwangerschaft vorherzusehen und diese bei der individuell zugeschnittenen Kinderwunschbehandlung entsprechend zu berücksichtigen.
Ein weiterer erkenntnisreicher Test ist die Untersuchung des Ploidiegrads des Spermas, also der Anzahl der Chromosomensätze. Dies geschieht mittels einer Durchflusszytometrie, bei der Laserlicht auf die Zellen gehalten wird, womit ihre Eigenschaften, zum Beispiel die Morphologie, analysiert werden können. Bringt diese Messung Anomalien der DNS zutage, bedeutet es eine Beeinträchtigung der Samenqualität. Zu diesem Schluss kommt eine Forschung von Dr. Alberto Pacheco (IVI Madrid).
Dr. Nicolás Garrido (Leiter der IVI-Stiftung) präsentierte auf der ESHRE 2017 die Resultate einer Metaanalyse, die einen Beitrag zur Effektivität von Kinderwunschbehandlungen leisten kann. Normalerweise gewinnt man Spermien aus dem Ejakulat, selbst dann, wenn Brüche oder Verletzungen des genetischen Materials, eine sogenannte DNS-Fragmentierung, vorliegen. Gewinnt man die Spermien bei bestimmten Patienten jedoch per Hodenbiopsie, fällt die DNS-Fragmentierung deutlich niedriger aus (laut Studie um 24%). Das heißt, die Samenqualität ist höher und damit auch die Wahrscheinlichkeit für eine erfolgreiche Schwangerschaft und höhere Geburtenrate.
Die Vorstellung der Ergebnisse der IVI-Studien auf der diesjährigen ESHRE-Fachtagung verdeutlicht die erfolgreiche Verquickung von Forschung und angewandter Reproduktionsmedizin. Das nächste Jahrestreffen findet in Spanien statt: ESHRE 2018 wird vom 1. – 4. Juli 2018 in Barcelona zu Gast sein.
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