Ärzt*innen verpflichten sich bei ihrer Arbeit, alles zum Wohle der Patient*innen zu tun. Im Fall der Reproduktionsmedizin bedeutet dies, dass sie das gesundheitliche Wohl der Kinderwunschpatient*innen, die Interessen und Schutzrechte Dritter, wie zum Beispiel der Eizellspenderin, wahren sowie, selbstverständlich, alles zum Wohl und zur Gesundheit des außerkörperlich gezeugten Kindes tun müssen. Die Reproduktionsmedizin verlangt die Expertise von Spezialisten, die sowohl mit dem medizinischen Know-how als auch mit Einfühlungsvermögen und Verständnis auf die Bedürfnisse ihrer Patient*innen einzugehen wissen.
Für das Wohl des Kindes spielt aber nicht nur die Seite der medizinischen Betreuung eine Rolle, sondern vor allem auch die Seite der werdenden Eltern. Im Lebensstil und den alltäglichen Gewohnheiten lauern möglicherweise Gesundheitsgefahren für das zukünftige Baby. Zu den Auslösern dieser Gefahren gehören Fettleibigkeit sowie der Konsum von Drogen, darunter Nikotin und Alkohol. Deswegen wird Frauen und Paaren mit Kinderwunsch häufig zunächst einmal die Empfehlung für eine Änderung der Lebensführung als Vorbereitung auf die Kinderwunschbehandlung gegeben.
Alkohol und Kinderwunsch
Die Europäische Fachgesellschaft für Reproduktionsmedizin ESHRE hat 2010 die berufsethische Empfehlung ausgesprochen, eine IVF-Behandlung abzulehnen, wenn der Alkoholkonsum von Frauen das moderate Maß übersteigt. Der übermäßige Alkoholgenuss kann beim Mann die Samenproduktion und -beweglichkeit vermindern und bei Frauen zu Zyklusstörungen bis hin zum Ausbleiben des Eisprungs führen. Neben Nikotin, Drogen, Umweltgiften kann auch Alkohol die Zeugungs- bzw. Empfängnisfähigkeit beeinträchtigen und also zur Unfruchtbarkeit führen. Dabei geht es nicht nur um hochprozentigen Alkohol, auch ein übermäßiger Konsum von Wein, Bier oder Alkopops hat negativen Einfluss. Die Störungen können sich mit einer dreimonatigen strikten Abstinenz wieder normalisieren.
Störungen durch Alkoholkonsum in der Schwangerschaft
Vor allem aber kann es die Gesundheit des Babys im Mutterleib schwer beeinträchtigen. Seit 1999 machen die Organisation FASworld und weitere Einrichtungen, etwa die Bundeszentrale für gesundheiltiche Aufklärung (BZgA), jährlich am 9. September mit dem „Tag des alkoholheschädigten Kindes“ Frauen auf die Folgen von Alkoholkonsum während der Schwangerschaft aufmerksam. Schätzungen sprechen von 2000 Kindern, die mit dem klinischen Vollbild des Fetalen Alkoholsyndrom (FAS), auch Alkoholembryopathie genannt, in Deutschland auf die Welt kommen. Etwa 10000 geborenen Kinder leiden an Fetalen Alkohol-Spektrum-Störungen (FASD).
Alkohol gehört zu den Substanzen, die dem Fötus in der Gebärmutter die meisten Schäden zufügen kann. Beeinträchtigungen, an denen das Kind sein Leben lang zu tragen hat. Im Embryonalstadium besitzt das Ungeborene überhaupt keine, als Fötus nur sehr geringe Möglichkeiten, den Alkohol abzubauen, da dafür notwendige Enzyme äußerst begrenzt oder vor der Geburt noch gar nicht vorhanden sind. Alkohol ist Gift für die Zelle. Er dringt leicht in die Plazenta ein und schädigt Embryo oder Fötus so direkt. Folgen sind Hypotrophie (unterdurchschnittliche Entwicklung der Organe), Dystrophie (Fehlwachstum von Zellen, Körperteilen, Organen oder gar dem gesamten Organismus) und Hypoplasie (unzureichende Zellbildung), die ihren Anfang bereits in der embryonalen Entwicklung der Organe nehmen und sich auf spätere Entwicklungsphasen auswirken.
Nach der Geburt sind sämtliche Prozesse der Kindesentwicklung verzögert. In variierender Stärke treten körperliche, geistig-intellektuelle, soziale und emotionale Störungen auf. Ein typisches äußeres Merkmal sind Veränderungen an den Augen, eine verkürzte Lidspalte. Diese kommen bei 90% der FAS-Betroffenen vor. Weitere Körpererscheinungen können verkürzte Fingerendglieder, ein hoch gewölbter Gaumen mit kleinen Zähnen oder auch Genitalfehlbildungen sein. Am stärksten betroffen ist jedoch das größte und empfindlichste Organ des Embryos, das Gehirn. Das Fetale Alkoholsyndrom ist die häufigste Ursache für geistige, nicht genetisch bedingte Behinderungen. FAS bedeutet körperliche sowie geistige Schwerbehinderung. Dabei ist es durch den verantwortungsbewussten Alkoholverzicht zu 100% vermeidbar.
Wie in der Schwangerschaft findet der Alkohol auch in der Stillzeit über die Muttermilch seinen Weg in den Organismus des Babys. Nur alkoholfrei kann das Baby den notwendigen erholsamen Schlaf-Wach-Rhythmus finden. Der Geschmack von Alkohol in der Muttermilch birgt die Gefahr, dass sich das Baby daran gewöhnt und später selbst eine Abhängigkeit entwickelt.
Beratung
Die Bundesregierung steht für eine 0,0-Promille-Grenze und möchte in Zusammenarbeit mit den Fachinstitutionen Schwangere und Stillende davon überzeugen, vollständig auf Wein, Bier, alkoholische Cocktails etc. zu verzichten. Es gibt keinen bestimmten Alkoholgrenzwert, an dem man die Grenze zwischen Trinken mit oder ohne Risiko ziehen könnte. Die Schädigung ist nicht nur von der eingenommenen Alkoholmenge abhängig, sondern auch von der individuellen Alkoholtoleranz der Mutter und des Kindes. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung betreibt die Kampagne Alkohol? Kenn dein Limit und bietet zahlreiche Möglichkeiten der Information und Beratung an. Auch dein Gynäkologe bietet regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen an und kann Informationsmaterialien zum Thema zur Verfügung stellen.
Beim Erstgespräch in den Kinderwunschzentren von IVI stehen unsere Spezialisten mit individuellem Rat den Patient*innen zur Seite, um gemeinsam einen Plan zur Änderung der Lebensgewohnheiten zu erstellen, damit die Kinderwunschbehandlung von Anfang an erfolgversprechend ist.
Kommentare sind geschlossen.